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Auftragsklärung

Im Augenblick beschäftigen wir uns mit den Themen Zeit- und Selbstmanagement. Die unserem Wirtschaftssystem offenbar als Nebenwirkung (oder gar Hauptwirkung?) mitgegebene Beschleunigung erfasst ja inzwischen bei vielen Menschen alle Lebensbereiche, und die Suche nach Hilfestellungen nimmt zu.
An dieser Stelle möchte ich einmal zwei Erfahrungen zusammenbringen:
Erstens wird ja immer behauptet, aus den meisten Projekten in Unternehmen würde am Ende nichts werden. Als ich vor inzwischen acht Jahren aber meinen damaligen Arbeitgeber verließ, um in die Selbständigkeit zu wechseln, wurde mir erst das Ausmaß klar, in dem ich selbst davon betroffen war. Ich hatte zwar über die Zeit verschiedene Positionen inne, aber offenbar hatten mich viele Unterlagen auf meinem Weg sozusagen begleitet. Nun stand ich vor der Aufgabe, mein Büro auszuräumen und alle zu archivieren, weiterzugeben oder eben wegzuwerfen. Ich kann sagen, dass ich an manchen Abenden geradezu fassungslos nach Hause ging. Fassungslos darüber, in wie viele nie zu Ende geführte Projekte ich meine Energie gesteckt hatte – und ja offenbar auch noch, ohne dass mir das großartig auffiel. Natürlich war auch aus vielem, vielleicht auch aus dem Wichtigsten, etwas geworden. Aber die Anzahl der Unterlagenreste von Projektleichen war beträchtlich. Vielleicht sieht es in Ihrer „ewigen Ablage“ ähnlich aus – ob nun in Papier oder in elektronischer Form.
Zweitens lernt man als Selbständiger ziemlich schnell, dass es wohl kaum etwas Wichtigeres gibt, als eine sorgfältige Projektklärung. Recht regelmäßig trifft man auf Auftraggeber, die zeitlich ziemlich unter Druck stehen und vor allem möchten, dass man schnell an die Arbeit geht und die anstehenden Probleme löst. Verständlich. Andererseits ergibt sich ohne sorgfältiges (und damit leider ein Mindestmaß an Zeit erforderndes) Briefing oft die Situation, dass man mit seinem ersten Arbeitsergebnis Erstaunen oder gar Unmut auslöst. Das habe man nicht gemeint. Nicht so, sondern irgendwie anders habe man sich das vorgestellt. Schon als fester Mitarbeiter keine schöne Situation. Hat man aber – nun plötzlich unbezahlte – Zeit in etwas gesteckt, dass man ganz von vorn beginnen muss, ist das das Gegenteil von ideal.
Beides jetzt keine superneue Erkenntnis.
Wenn ich allerdings die nicht zu Ende geführten Projekte, an denen ich früher beteiligt war, mit dieser zweiten Erfahrung betrachte, stelle ich folgendes Postulat auf: Eine der Ursachen dafür, dass gerade die größeren davon irgendwann nicht mehr oder nicht mehr mit der nötigen Energie weiterverfolgt wurden, war die fehlende Auftragsklärung zu Beginn. Von Seiten des eigentlichen internen Auftraggebers, innerhalb des Lenkungskreises, zwischen Lenkungskreis und Projektleitung, innerhalb des Projektteams und mit den beteiligten und betroffenen Abteilungen. Natürlich wäre das ein erheblicher Aufwand gewesen. Stattdessen wurde, und zwar auch damit es schnell geht, für ein unklares Problem die erste vage greifbare Lösung zum Projektziel erklärt, und jeder hat „gemacht, wie er meinte“.
Ich könnte mir vorstellen, dass das im Arbeitsleben im Kleinen ebenso wie im Großen ein Problem darstellt. Und so wird viel Zeit vertan, zwar im besten Willen und guten Glauben, aber letztendlich sinnlos. Und man kann sich fragen, wie viel Mitarbeitermotivation verpufft in der Enttäuschung der Chefs, dass „so etwas ganz Anderes dabei herausgekommen ist“.
Natürlich kostest es erst einmal Zeit, sich gemeinsam genau zu überlegen, wie ein Arbeitsergebnis aussehen soll und wie und ob dieses Ergebnis überhaupt geeignet ist, das anstehende Problem zu lösen. Aber diese Zeit spart man anschließend mehrfach wieder ein.
Es gilt also auch hier eine Variante des berühmten „Wenn du es eilig hast, geh langsam“.